Von Anne Zeisig

Sie hat blonde, ondulierte Haare und unter ihrem Petticoat schauen die längsten makellosesten Beine hervor, die ich jemals gesehen habe, wenn sie Rock ‘n Roll tanzt und ihr lockiger Pferdeschwanz bei jedem Überschlag wild um ihren zarten Kopf saust.

 

* * *

 

„Siehst du aus wie Elvis?“

 

„Nein.“

 

„Tanzt du wie er?“

 

„Nein.“ Ich winke resigniert ab: „Alles klar! Kann also bei ihr nicht landen.“

 

Erich und ich sitzen im Hobbykeller meiner Eltern, die Tropfenkerze ist fast heruntergebrannt und hat mit ihrem Paraffin die gesamte Flasche bedeckt, auf der sie aufgesteckt worden ist.

Wir rauchen einen Joint, blasen den Qualm in die Luft, stieren ihm nach.

 

„Warum hast du eigentlich immer ein Faible für unerreichbare Weiber?“, fragt mich mein Kumpel. „Konntest doch bereits bei dem Brigitte-Bardot-Double aus der Oberstufe nicht landen.“ 

 

Wäre toll, wenn ich wenigstens mal Kringel hinkriegen würde beim Paffen. Fühle mich wohlig umnebelt.

 

„Süß ist sie auf jeden Fall mit ihren Söckchen, die so einen rosa Zackensaum haben“, säuselt mein Kumpane ins Diffuse hinein und schießt mit einer der angesagten Pistolen-Attrappen harmlose Kügelchen auf eine Papp-Zielscheibe.  

 

Ich knuffe ihn in die Seite: „Man nennt das Mausezähnchen. Und süß“, ich ziehe an seinem Kinnbart, „darf nur ich sie nennen.“ Falle rücklings auf das ausgeleierte knarrende Sofa, welches meine Eltern hier unten im ‘Partykeller’ abgestellt haben, damit ‘wir jungen Leute’ auch was Bequemes haben. Und ziehe mir eine Sprungfeder aus der Nietenhose, die man auch Bluejeans nennt, wenn man sich weltmännisch geben will.

 

Erich legt den Cold beiseite. Er trifft sowieso nie ins Schwarze.

„Du musst dieser Braut was Besonderes bieten“, sagt er und mir wird es mulmig im Magen, weil ich nichts vorzuweisen habe, außer der Teilnahme an Friedens-Demos. Und das auch nur halbherzig eigennützig, weil dort die Mädels mit selbstgehäkelten Pullovern und Bikinis umhertanzen. Das variiert jahreszeitlich, ist klar. Aber der Sommer ist mir lieber.

Ich jedoch trage meinen khakigrünen Parka an 365 Tagen im Jahr.

 

Endlich schaffe ich einen Rauchring und der ermutigt mich, über mich selbst hinauszuwachsen.

 

* * *

 

Stürme also kurz vor Ladenschluss in das Geschäft und rufe bemüht mit dunkler Stimme: „Überfall!“. Halte der jungen Verkäuferin des Juweliers meiner Wahl in abgeschiedener Stadtrandlage die Knarrenattrappe übers rechte Ohr und zeige kurz mit der Linken auf die ‘Abteilung’ für Trauringe.

 

Flink huscht die Brünette darauf zu und stellt mir ihr Sortiment auf dunkelrotem Samt vor die Sehlinsen.

„Alles Gelbgold“, haucht sie stotternd, „man kann sie jedoch auch legal käuflich erwerben.“

 

Klaro!

Wenn man das nötige Kleingeld dafür hat. Ich habe es jedenfalls nicht, weil mein Alter kein feiner Pinkel ist. Und schreie: „Rück endlich die Teuersten raus!“, und halte ihr einen Butterbrotbeutel, 250 Gramm Fassungsvermögen, mit der Öffnung nach oben entgegen.

 

Sie zeigt mir zwei Exemplare und erklärt mit vibrierender Piepsstimme: „Gelb- und Weißgold kombiniert, da ist man mit dem eigenen Schmuck nicht so eingeschränkt. Das sind siebenhundertfünfziger Goldringe. Teurer geht nicht.“

 

„Die nehme ich!“, krakeele ich einschüchternd. Ein Dieb muss sich schließlich Respekt verschaffen!

 

Und schon fallen die Schmuckstücke aus ihren schlanken zittrigen Fingern in die Pergamenttüte.

 

„Aber was ist mit der Gravur?“, fragt die Überfallene mich unverhofft. Und wagt es doch tatsächlich, mir unerschrocken in die Augen zu blicken!

 

„Was?“, frage ich verdutzt und der ‘Möchte-Gern-Cold’ bebt kurz in meiner Hand, weil ich für Unvorhergesehenes keinen Plan habe.

Stellt ein eingeschüchtertes Opfer überhaupt solche Fragen?

 

„Die Namen?“, fragt sie, „oder Datum der Verlobung zum Beispiel? Oder der Hochzeit?“

 

Mustert mich von oben bis unten: „Oder sollen die Initialen eingraviert werden?“

 

„Scheiße“, säusele ich und blicke irritiert auf die Ringe im Pergament.

Fahre mir ungelenk mit dem Colt durch die Elvis-Tolle. „Ich habe keine Ahnung, ob und wann eine Verlobung überhaupt stattfinden wird!“

Panik bei mir! Und ich komme ins Stottern: „Eigentlich war das sonne Schnaps-Kiffidee.“

Alter! Warum lächelt die?

 

„Wie wäre es mit der Gravur ‘I m Sorry’,?“, fragt sie mich zart und ich lasse meine Knarre sinken, weil mich ihre wunderbaren tiefbraunen Augen anpeilen.

„Du hast mich nämlich ganz schön erschreckt.“ Und dann zeigt sie auf ihren ‘Peace-Anhänger’, der an einer zierlichen Kette auf ihrer Kehlengrube liegt.

 

Ich schaue hinunter auf meinen grünen Parka, wo mein ‘Frieden-Sticker’ locker an einer Sicherheitsnadel befestigt baumelt.

ENDVersion