Von Jochen Ruscheweyh
100 Jahre später und aus Sibirien: „Ich hab’s ein für alle Mal verkackt, oder Woody?“
Statt was zu sagen, fang ich an zu heulen.
Steffi kommt zu mir rüber und hält mich fest und ich sie.
Dass es weniger weh tut, is‘ gelogen gewesen.
Ich mach mich los und geh duschen.
Keine Ahnung, warum, aber irgendwie scheint‘s mir ‘n geiler Plan zu sein.
Wie ich mich so am Schrubben bin, denk ich, dass Wuttke eigentlich ’n ziemlicher Scheißname is’ und Bobby viel cooler kläng, also zieh ich den Duschvorhang zur Seite und sag: „Pam?“, während ich mich parallel frag, wer mir diesen beschissenen Seitenscheitel gezogen hat, den ich im Spiegel seh.
Und dann bin ich plötzlich doch nich’ Bobby Ewing, sondern wach, weil jemand neben mir „Habsi, ich herbe!“ stöhnt.
Ich reiß meine Glubscher auf und entdeck meinen besten Freund und Basser Teschke neben mir liegen, der aussieht, als hätt er grad Sex mit ’ner Güterlok gehabt.
Ich will was sagen, aber ich hab ebenso wenig Kontrolle über meine Kiefermuskeln wie Teschke.
Maulsperre de Luxe.
Babsi und Steffi sehen aus wie aus‘m Ei gepellt, wie sie da auf unserm Söffchen hocken und rollen sich monster ab, wie Teschke und ich back to reality finden.
In dem Moment wird mir klar, dass alles, von dem ich dachte, dass es nach dem Surgeant-Submarine-Gig passiert is‘, also, dass Steffi mit dem Surgeant rumgemacht hat und ich sie rausgeschmissen hab, nur ‘n übler Psycho-Horrortrip und nich‘ echt gewesen is‘.
Und dass das Grauen damit angefangen hat, dass Teschke und ich – fett wie die Haubitzen – drauf bestanden haben, bei dem neuen Asi-Asiaten die Zwei-Familien-Platte The Full Mao zu bestellen. Und ich hab noch Babsis Stimme im Ohr von wegen Glutamat-Schock, und dass Steffi und sie 100 pro keinen Fuß in den Laden setzen. Sowie Teschkes Replik: „Babsi, Wuttke und ich brauchen gar keinen Fuß reinsetzen, weil wir nämlich einen fickenden … äh, fliegenden Teppich haben.“
Steffi krabbelt zu mir unter die Decke und flüstert mir ins Ohr: „Ich frag jetzt nich‘, wer Miss Double Idaho is‘, von der du im Delirium gelabert hast, aber wenn Teschke und Babsi gleich raus sind, dann wienerst du unsere Bude. Wer saufen und miesen China-Fraß fressen kann, der kann auch putzen.“
Teschke robbt gen Söffchen und versucht, sich an Babsis Bein hochzuziehen.
Aber hey, Babsi is’ Krankenschwester und das Gesundheitssystem macht hart. Und anstatt ihm hoch zu helfen, schüttelt sie Teschke ab wie ’ne lästige Scheißhausfliege und schickt hinterher: „Ich hau jetzt ab, du kannst ja auf deinem fliegenden Teppich nachkommen.“
In der Tür lallt Teschke mir noch zu, dass ich nich‘ vergessen soll, um Fünfzehnhundert am Proberaum zu sein, weil Pavarotti käm und hätt irgendwas zu verkünden.
Ich versuch zu bestätigen, raus kommt: „Lolo!“
Scheiß Glutamat.
Wir sind alone, zwar nicht in the dark, aber immerhin.
Ich erzähl Steffi von meinem Glutamat-Alk-Kombi-Endlos-Psychotraum.
„Oooch, du bist unterbewusst eifersüchtig auf Surgeant Submarine? Das is‘ ja total süß! Aber da müsst eher ich Panik haben, der Surgeant steht nämlich nur auf echte Kerle!“, erklärt sie und packt dabei unter der Decke so kräftig zu, dass ich mich winde wie ’n Aal vom Weihnachtsmarkt, als er noch lebt.
Und Steffi: „Was denn? Sei froh, dass du mit mir zusammen bist. Kuscheln mit Babsi is’ sicher so wie ’ne Rektal-Untersuchung von John Rambo.
Gegen Fünfzehnhundert bin ich zwar immer noch durch, als hätt John Rambo mir ‘ne Magen-, Darm- und Blasenspiegelung gleichzeitig verpasst, aber hey, mit Steffi und mir ist alles super. Daher bin ich im Monster-Happy-Modus. Auch wenn ich maxi Agression auf mein Unterbewusstsein schieb, a) mit so ‘ner läppischen Nummer wie der Dallas-Duschszene zu kommen, mit der man 100 pro aus jedem Kreativ-Schreibkurs fliegen tät und die dann b) auch noch reversiv abzuspulen, denn im TV hatte Pam ja den Bobbster beerdigt und nich‘ umgekehrt.
„Oh, neue 14 Loch Ranger-Boots, haste Stütze abgeholt, Pavarotti?“, begrüßt Schrö unseren Shouter im Krankenstand, als der mit seiner was-auch-immer-Helen reinkommt.
„Von wegen, ich hab getz ’n Job im öffentlichen Dienst“, gibt Pavarotti zurück und glotzt dabei, als wären wir irgendwo auf ’ner verfickten Baumwollplantage in Virginia und er der Vorarbeiter.
Ich sag: „Ey, cool, dann kriegste ja fett Weihnachtsgeld.“
Er kratzt sich seine Rübe, auf der nach seiner Wiesel-Frisen-Periode mittlerweile wieder ‘ne ganz amtliche Wolle wächst – um im Metapher von vorhin zu bleiben. Hehe, Big Wutt und seine Stilmittel waren schon immer gute, nein, die besten Freunde – und relativiert: „Naja, eigentlich eher öffentlicher Nahverkehr.“
Teschke, die Stimme der Vernunft, kommentiert, immer noch Glutamat angeschlagen: „Harauf hannst du doch holz sein, Réné. Die deutschen Herkehrsbetriebe bringen täglich Millionen Menschen von H nach B. Wen hansportierst du denn honkret?“
Pavarotti tut etwas zu offensichtlich so, als wenn er es überhört hätte, aber im Kontext ihrer – hihi – gleichberechtigten Beziehung haut Helen, Pavarottis schlechtere Hälfte, dem Pave-Man gepflegt auf den Hinterkopf und nölt los: „Boah ey, ich könnt echt kotzen, wie du hier wieder auf dicke Hose machst. Warum erzählst du deinen Boys nich‘, dass du dich von deinem Sachfuzzi auf‘m Amt hast belabern lassen und jetzt mindestens drei Monate Fahrgastbefragungen in der S1 machen musst?“
Pavarotti hat sich wohl bei Helens Kung-Fu-Punch den Pullenrand von seinem Clarenberger gegen seine Schneidezähne gehauen, weil er grad den Schaum abtrinken wollte, und es hat auch ‘n echt fieses Klonk-Geräusch gegeben, aber vernachlässigenswert, denn Pavarotti hat 100 pro ’n 1a gepflegtes Bonus-Heft und ’ne hochdotierte Zahnzusatzversicherung.
„Ey, bis‘ du noch ganz dicht?“, entfährt‘s ihm trotzdem.
Und Helen: „Ey, hör halt mal zu, wenn man dir was sagt. Meine Family hat drei Generation Stütze- und Amtserfahrung. Uns quatscht keiner so ’n Behindi-Job auf.“
Und das is‘ ‘n so beschissen geiles Killer-Argument, dass der Pave-Man sponti entscheidet, auf seine Ursprungsmission zurückzukommen: „Wat ich aber eigentlich am Sagen dran sein wollte: mein Stimmband-Doc hat mir grünes Licht gegeben.“
Ich sag: „Alter, du bist back? Also mit allem? Auch Violent Opera Screams und so?“
„Dat volle Programm und den Schrei von Strange kind of woman tu ich noch on top packen!“
Auch wenn ich den Pave-Man meist für ’n ziemlichen Primaten halt, wird mein kleines Wuttke Herzchen grad so warm wie ’ne gut durchfrittierte Pommes im Goldenen Grill Imbiss, so dass ich nur Loud, Louder, Deathtroja scandieren und den Pave-Man an meine Brust drücken kann.
„Ähem, nichts für ungut, Leute“, unterbricht Schröder unsere homoerotische Kerle-Kuschelei, „aber unsere aktuelle Sängerin ist Keisha und ich fänd‘s total unfair, wenn sie‘s jetzt nich‘ mehr wär.“
Pavarotti macht sich von mir los, was mir – müffeltechnisch gesehen – ganz gut zu Passe kommt, weil der Pave-Man nach Katzenfutter, nasser Zeitung und Schweiß ausdünstet und meine neu entdeckte Shouter-Liebe nich‘ so weit geht, dass ich drauf stehen tät, wenn der Potpourie meine Klamotten durchduftet.
„Ey, wat has du Peter-Bursch-Klon gesagt? Der Shouter von unsere Band bin immer noch ich, dat dat ma klar is‘! Und außerdem seh ich hier keine Keisha!“
Schrö gibt Contra: „Klar, weil ihr keiner Bescheid gesagt hat, aber wer hat uns denn in den letzten Wochen den Arsch gerettet und eine neue Klangfarbe in unseren Sound gebracht?“
„Klangfarbe? Dann bist du jetzt wohl sowas wie der Waschmittel-Designer des Metal, was Schröder?“, mischt sich Beckmann von hinter seinem Drumkit ein und säuselt mit der Glockenstimme der Vernell-Reklame-Mutti: „Oleander … Jasmin … Kei-sha!“
Schrö kann‘s irgendwie nich‘ fassen und insistiert weiter: „Aber ihr wart doch alle dafür, dass Keisha bleibt, wenn Pavarotti zurückkommt und dass wir mit zwei Stimmen neue Wege beschreiten und unser damit Stil grenzenlos wird.“
Pavarotti wackelt testhalber an seinen Hase-Caesar-Schneideheinzen, aber die scheinen noch fest im Ober- und Unterkiefer zu stecken, bevor er einen seiner galaktischen Aphorismen raushaut: „Ey, Schröder, scheiß ma drauf, wat ich gesacht haben soll. Wenn Bon Scott heute um Zwanzig Uhr auferstehen würd, dann würden AC/DC Brian Johnson um Zwanzig Uhr und eine Millisekunde feuern tun.“
„Fick dich, Pavarotti, du bist nich’ Bon Scott, du bist nich’ Bon Jovi, du schaffst allemal das mittlere Intervall von ’ner Bontempi Orgel!“, knallt Schrö ihm vor den Latz, dreht sich um, geht zu seinem Marshall und schnallt sich seine Flying V um.
„Ey, halt mich fest, Wuttke, sonst dresch ich dem Penner ‘n paar rein!“, rudert der Pave-Man mit seinen Armen wie beim Senioren Aerobic auf Gut Opherdicke.
Als informeller Band-Präsi könnt ich jetzt eingreifen, aber hey, ich hab die Birne voll Glutamat, das reicht mir als Entschuldigung, mich auf’s Bandsöffchen plumpsen zu lassen und die Live-Sopera zu genießen. Und auch wenn Keish echt geil singen kann, will ich nich‘ mit meinem Ex-Three-Week-Stand Musik machen und erst recht nich’, wo sie jetzt mit Schrö zusammen is’. Aber das sollen die mal unter sich regeln. Pavarotti jedenfalls haut noch ’n kongenialen Monolog raus, der mit den Worten endet: „Ey, kauf der Alten ’n Pony oder ‘n guten Vibrator, dann könn wa vielleicht endlich mal anfangen zu proben.“
Ehe Schrö was rückmelden kann, hat Helen Pavarotti schon wieder ‘n heftigen Punch auf seinen Kack-Hinterkopf gegeben und bemängelt: „Bevor du andern Kerlen Sex-Tipps gibst, kaufst du MIR erstmal ’n richtig guten Vibrator oder du kannst zu deinen Verwandten nach Mikropimmelnesien auswandern, du frauenfeindlicher Arsch.“
Die Diskussion findet ’n jähes Ende, da Keisha und ihre Schwester Ruby justamentens reinmarschiert kommen.
„Ey, wer hat die denn eingeladen?“, aggrot Pavarotti Richtung Schrö, „Dat is‘ ‘n bandinternes Dingens.“
Keish guck mich aus ihren kleinen Schokoleichentorten-Augen an und sagt: „Gehör ich nicht zur Band, Wuttke?“
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