Von Jochen Ruscheweyh
Dass ich ‘n maxi Arsch sein kann, weiß ich schon seit‘m Kindergarten, wo ich nur eh nur ’n halbes Jahr hingegangen bin. Aber hey, das einzige, was ich wollte, war, meinem Sandkasten-Kumpel Carsten ermöglichen, inner Pause zum Spielen rausgehen zu können, auch wenn er sein Kack-Butti noch nich‘ aufgegessen gehabt hat. Dafür lohnt es sich auch schon mal, ‘ner KiGa-Erziehse vor beide Schienbeine zu treten. Und aus’m Kindergarten zu fliegen is’ auch schon mal ’ne geile Leistung. Aber das is’ ’ne andere Story.
Egal, wir hängen auf jeden Fall gerade so mäßig gechilled im P-Raum ab, wie das eben möglich is‘, wenn dein Gitarren-Sidekick plötzlich mit deinem ex-three-week-stand Keisha zusammen is‘ und deine Combo obendrein noch entschieden hat, dass Keisha deinen Shouter vertritt, solange der seine Stimmbandprobleme auskuriert und der Idiot das auch noch für ‘ne Bombenidee hält.
However, wir hängen also ab, preschen uns ’n paar Clarenberger – logo, wir würden nie mit ‘nem anderen Pils chillouten – und welche von den Mix Tapes, die im P-Raum rumfliegen, als Keisha plötzlich auf das Tape-Deck zeigt und meint:
„Wow, was für ein geiler Song, können wir den nicht nachspielen?“
Normalerweise hab ich ’ne abgeschlossene Meinung zum Thema Deathtroja und Coverversionen, nämlich lieber lassen, weil das nur Stress gibt, aber um den Bogen zum Anfang zu kriegen: Ich kann auch ‘n maxi Arsch sein.
„Das ist Gates of Babylon von Rainbow, von der LP ,Long live Rock’n’Roll‘, 1978, Polydor Records, der 4.Song auf der 1.Seite, ca. 6 Minuten 50 nein warte, 6 Minuten 49“, schlauscheißert mein bester Freund und Basser Teschke. Was Beckmann hinter seinem Drumkit zu der leicht Off-Topic-Frage bringt:
„Sag mal, Teschke, nach welchen Parametern sortierst du eigentlich deine Platten?“
„Na, Anfangsbuchstabe und Erscheinungsdatum, ich verstehe den Hintergrund deiner Frage nicht …“
„Aha, okay, dann bist du wohl sowas wie der Edmund Stoiber der Plattensammler.“
„Was meinst du denn damit?“
„Na, konservativ as fuck, ich sortiere nach Produzent, dann Produktionsland, dann Studio und dann erst Bandname, guck mal den Artikel im Melody Maker, machen alle großen LP Sammler jetzt so.“
1000 pro, dass das einer von Beckmanns Sinnlos-Pseudo-Hints is’, bewirkt aber trotzdem Deep-Grübelmodus bei Teschke.
Ich glotz stasi-diskret zu Schrö rüber und seh ihm die Panik aus seinen Fett-Augen quellen. Logo, weil das Solo is‘ ‘ne musikalische Mount Everest Besteige, um mal ’n shaky Bildmetapher in die Runde zu werfen. Denn egal wie gut Schrö is’, bei Blackmore-Soli kann man nur abkacken, aber das kann er als echter Metal-Mann vor Keisha natürlich nich‘ zugeben und versucht ’n Ebenenwechsel:
„Also ich weiß nich‘, Keish, du weißt, ich mag deine Stimme total“ – ich riech förmlich das ABER, und, hehe, tatsächlich: „aber du klingst definitiv nicht nach Ronnie James Dio und wenn man Rainbow covert, dann muss das richtig sitzen und knallen.“
„Aha, interessant, was du so alles weißt oder nicht weißt, du meinst also, ich bring das nicht?“, gibt ihm Keisha zurück.
Schrö rutscht auf‘m Söffchen rum, als hätt ihm einer die Arschritze mit Chilipulver gepudert: „Nee, das mein ich nicht, ich denk halt nur …“
Beste Gelegenheit für ’n fruchtigen Einwurf meinerseits:
„Ey, Schrö, ich kann mir das total super vorstellen, ich schreib das Keyboard Zeug für Gitarre um und du ballerst dem Blackmore sein Solo drüber. Das wird endgeil.“
„Und das bestimmt ihr einfach so? Was ist denn mit Wir sind ’ne demokratische Band und so?“
Beckmann drummt diesen Opener von Grand Funk Railroad an und meint:
„Du verwechselst das was Schröder: We are an american band!“
Und rollt sich über seinen eigenen Joke monstermäßig ab.
Ich könnt jetzt was sagen, aber viel geiler is‘, wenn Keisha den Job übernimmt, was sie auch tatsächlich macht:
„Was bist du denn für ein Kauard?“ – oh ich mag das echt, wenn sie ihre Vor die Fresse – Knalle mit ’nem Schuss Jamaikanisch würzt – „man könnte ja fast meinen, du hast Schiss vor dem Song.“
Seiner Gesichtsfarbe nach implodiert Schrö grad, als Teschke in bester Margarete Schreinemakers Tradition anmoderiert:
„Ich glaube, ihr solltet vielleicht draußen klären, was diese Coverversion mit euch als Paar zu tun hat.“
„Halt deinen beschissenen Rand, Teschke, ich muss nichts klären. Ihr wollt den Song covern? Gut covern wir ihn. Fertig.“
Und Beckmann in Richtung Teschke:
„Gebt dem Mann das UNO Verdienstkreuz in Aspik. Und dazu drucken wir Shirts mit dem Aufdruck Bass gegen Hass!“
„Oder Kacke, Pisse, Wichse, Regenbogen“, nuschelt sich Schrö in seinen nich‘ vorhandenen Bart.
Ich stocher nach:
„Alles grete bei dir, Schrö?“
Er dreht sein Master-Volume auf gefühlt 12 und fängt an, irgend ’ne Scheiße abzunudeln.
Na, zumindest in der Beziehung kopiert er Blackmore 1a.
Wir rotzen unser komplettes Set runter und die Luft zwischen Keish und Schrö is’ echt so zum Schneiden wie Opa Schlusemanns Frankfurter Kranz, den er im Dezember ‘ne Woche auf‘m Balkon vergessen hat.
Ich hab so drei bis vier Clarenberger intus und ‘ne Blase so dick wie der Möhnesee. Also schnall ich meine Charvel ab, latsch auf’n Bunker-Pott und piss mir das Pils mit 17 ATÜ aus’m Bauch und dann direkter Durchmarsch zum Bäcker, weil ich Bock auf ‘n Brötchen hab.
Ich also rein in den Hoeschianer-Gebäck-Schuppen und krieg grad noch mit, wie ‘ne Olle vor mir anmeldet:
„Ich krieg irgendwie ‘n Brot mit Roggenanteil.“
Darauf die Back-Azubine hinterm Verkaufstresen:
„Und haben Sie schon einen Namen?“
„Valerie!“, kommt prompt das Feedback von der Bäckerei-Oberin, „sprich vernünftig mit unseren Kunden!“
Die Kurze glotzt demonstrativ ‘ne Augen-Achterbahn und rattert dann monoton alle Voll- und Teil-Roggenbrote mit den zugehörigen Mehlanteilen runter.
Spricht zumindest für regelmäßige Berufsschulteilnahme.
Ich bin noch so am Sinnieren über das deutsche Bildungssystem, als mich von hinten jemand anquakt:
„Du kannst es nicht akzeptieren, dass Keisha jetzt mit mir zusammen is‘, oder?“
Ich reagier nich‘ auf Schrö seine Psycho-Rotze sondern order bei Valerie das Käsebrötchen Hörder Fackel mit Tabasco, Remoulade, Gurken und Petersilie und krieg zu hören:
„Boooar, echt jetzt? Dann muss ich extra nach hinten latschen wegen der Scheiß-Petersilie.“
Der Kommentar aus dem Off:
„Valerie! Sprich vernünftig mit unseren Kunden!“
Schrö von hinter mir:
„Du musst immer auf Big Mac machen, aber weißt du was? Ich glaub, die Band is‘ auch McDonalds ohne dich.“
Ich mach mir erst gar nich’ die Mühe, seinen Dünnschiss zu interpretieren, sondern sag zu Valerie:
„Du hast Recht, Petersilie is‘ was für 50 jährige Conti-Schichtler, knall mir mehr Gurke drauf und das Brötchen rockt.“
Sie nickt und meint:
„Der hinter dir steht, sieht aus wie Bon Jovi, nur viel fetter, ohne Locken und nicht so italienisch.“
Darauf von behind the Eduscho-Brüheinheit:
„Valerie! Sprich vernünftig mit unseren Kunden!“
„Jeder von uns anderen Vieren kann was, aber du bist ohne uns gar nichts, Wuttke! Du bist wie dieser Pillendreherkäfer, du sammelst ein, was du kriegen kannst und gibst es als deins aus“, schwafelt Schrö weiter.
„Sagt der, der sich wegen dem Solo aus dem Song in die Buchse scheißt, den seine Perle so gerne spielen möchte. Ich frag mich echt, wer für dich ‘ne Nummer zu groß is‘, Keisha oder Blackmore?“, erzähl ich in Richtung Valerie.
„Dreh dich gefälligst um, wenn ich mit dir rede, Wuttke!“
Ich dreh mich um, und seh noch, wie er ausholt, krieg seinen Arm aber irgendwie abgeblockt.
Valerie hinter ihrer Brötchen-Bastei:
„Cool, Weiberkloppe ohne Weiber, aber mit Typen in Spandex-Hosen! Ich setz ‘n Zwanziger auf den Drahtigen, Frau Schalubowski, sie können den Großcousin von Bon Jovi haben.“
„Valerie! „sprich vernünftig mit … Moment, den Zwanziger halt ich!“
„Wenn du’s drauf hast, dann spiel du doch das Solo!“, brüllt mich Schrö an.
Ich brüll zurück:
„Ich hab im Gegensatz zu dir kein Prob damit, zuzugeben, dass mir das ‘ne Nummer zu groß is‘.“
„Das Solo oder Keisha?“, keift mir Schrö entgegen.
„Such dir was aus, Flying V Wichser!“
Irgend ‘ne Synapse scheint sich anders versynapst zu haben in Schrö seinem Scheiß-Kopf, auf jeden Fall krächzt er:
„Sag ich doch: Kacke, Pisse, Wichse, Regenbogen.“
Und ich:
„Also wirst du’s versuchen?“
Darauf er:
„Worauf du einen lassen kannst, Arschloch!“
„Gut, dann wär ja alles geklärt.“
„Nicht ganz, was hast du dir gekauft?“ Wir schreien übrigens immer noch.
„‘ne Hörder Fackel.“
„Ich hätte auch gerne eine, Mademoiselle!“, meint er zu Valerie, jetzt leiser und mit leicht näselndem franösichen Akzent. Ey, der Typ hat echt so’n Rad ab.
„Boooar, was seid ihr denn für eine Schlager-Band, wenn ihr euch noch nicht mal richtig wemmst.“
Frau Schalubowski hinter der Brüheinheit: „Valerie! Sprich vernünftig mit unseren Kunden und gib mir meinen Zwanziger!“
Als Schrö und ich den Bunkerflur hochkommen, is’ mir der Penner noch genauso egal wie vor fünf Minuten, er hingegen aber scheinbar der Meinung, dasselbe Brötchen wie ich zu shoppen, is‘ der Versailler Friedensvertrag in Kubik. Anders kann ich mir nich‘ erklären, dass er, kurz bevor wir nich‘ das Gatter nach Babylon, aber die P-Raum Luke aufstoßen, seinen Arm um meine Schulter legt und sagt: „Ey, Wuttke, wenn Keisha noch in dich verknallt wär, würd sie’s mir doch sagen, oder?“
„Keisha war nie in mich verknallt.“
„Und du?“
Ich drück die Klinke runter und sag:
„Keisha is unliebbar.“
Was keine Antwort auf die Frage is‘, ihn aber irgendwie zufriedenstellen scheint.
Das, was Keisha grade in bester Ronnie James Dio Tradition über lediglich Bass und Drums shoutet über mit dem Teufel schlafen und dann dafür bezahlen müssen, is‘ irgendwie die Kurzform unseres three week stands.
Und ich frag mich, was die größere Strafe für Schrö wär, wenn Keisha mit ihm Schluss machen würd, oder sie Keisha-mäßig mit ihm zusammenbleiben würd.
Wie er sagt: Pisse, Kacke, Wichse, Regenbogen.