Von Helmut Blepp
Ich werde diesen Tag nie vergessen. Damals war ich so sauer, wie schon lange nicht mehr. Schon morgens beim Bügeln hatte ich ein schlechtes Gefühl. Als nachmittags um fünf immer noch sein Essen auf dem Herd köchelte, wusste ich Bescheid.
Es war nach zehn, als ich ihn an der Wohnungstür hörte. Er stocherte am Schlüsselloch herum. Endlich schaffte er es und kam mit unsicherem Gang herein, die Augen rot wie die eines Albinokarnickels.
Ich hielt mich nicht mit einer Begrüßung auf.
„Wo ist die Kohle?“, fragte ich ihn.
Freitags wurden die Lohntüten verteilt in der prähistorischen Klitsche, in der er als Schwarzarbeiter sein Unwesen trieb.
„Was für Kohle?“
Wie ich es hasste, wenn er sich blöd stellte!
„Was für Kohle, fragst du! Ich meine die paar Kröten, von denen wir bis nächste Woche leben müssen.“
„Weg“, rülpste er. Eine Wolke aus Fuselgestank trieb mir entgegen.
„Sag bloß, du hast alles versoffen, du Idiot! Das kann doch wohl nicht wahr sein!“
„Mein Geld! Geht dich´n Scheißdreck an!“
Ich hasste es noch mehr, wenn er sich kämpferisch gab!
Ich baute mich vor ihm auf, wobei ich meine Einssechzig so lang wie möglich machte.
„Dein Geld also! Und was ist mit mir? Renne ich nicht den ganzen Tag herum, um diese Bruchbude einigermaßen sauber zu halten? Koche ich nicht für dich? Muss ich dir nicht alles an den Arsch tragen, wenn du abends heimkommst? Dein Geld? Du bist wohl bescheuert!“
„Rede nicht so mit mir! Ich bin dein Mann.“
„Eine Flasche bist du!“, schrie ich ihn an. „Warst nix und bist nix! Wo wärst du denn ohne mich? Musst dich doch nur anschauen: ein versoffener Penner, dem der Sabber aus dem Mund läuft. Du willst ein Mann sein? Dass ich nicht lache!“
Er schlug mit der flachen Hand zu. Der Schlag war nicht fest, doch ich wich zurück. Er mühte sich, das Gleichgewicht zu halten und kam stolpernd auf mich zu.
Die Ohrfeige brannte auf meiner Backe. Und das war der Grund dafür, dass mir die letzte Sicherung durchbrannte.
Mit dem Rücken zum Herd, fasste ich hinter mich und hatte plötzlich den Griff des Wasserkessels in der Hand. Da holte ich aus und schlug zu.
Ich traf ihn an der Schläfe. Er erstarrte in der Bewegung. Mit großen Augen, so als sei er mit einem Mal nüchtern geworden, sah er mich einen Moment lang an. Dann fiel er um wie ein nasser Sack und rührte sich nicht mehr.
Fassungslos stand ich da mit dem Kessel in der Hand. So weit hatte er mich noch nie getrieben!
Ich war immer noch wütend. Aber jetzt kam auch noch Angst hinzu. Was würde er mit mir machen, wenn er aufwachte?
Er lag immer noch still, die Augen verdreht. Vorsichtig stieß ich ihm eine Fußspitze in die Seite. Nichts. Ich trat ihm etwas fester in die Rippen. Er zuckte nicht einmal. Da wurde mir klar, dass er tot war.
Keine Ahnung, wie lange ich vor der Leiche ausharrte. Ich musste wohl eine Art Schock gehabt haben. Erst als ich einen Krampf im Bein spürte, kam ich wieder so richtig zu mir.
Nur die Ruhe, redete ich mir zu. Gedanken ordnen. Vielleicht würde ein kräftiger Schluck helfen.
Ich zog die Kornflasche hinter dem Brotkasten heraus (vor diesem Suffkopf musste man ja jeden Tropfen verstecken!) und setzte sie an den Mund. Das Zeug brannte höllisch in der Kehle, aber in meinem Magen machte sich eine beruhigende Wärme breit.
Ich setzte mich an den Küchentisch und schaute hinüber zu meinem Mann. Kein bisschen Blut. Nur ein kleiner Kratzer an der Schläfe, bläulich verfärbt. Den Kessel hatte ich einen Meter daneben fallenlassen.
Die Wut stieg wieder in mir hoch. Musste dieser Idiot auch noch so `ne weiche Birne haben!
Zwölf Jahre Ehe mit einem Versager. Zwölf Jahre in diesem Loch versauert. Alkohol. Demütigungen. Streit. Und jetzt würde er es auch noch schaffen, mich ins Gefängnis zu bringen.
Nicht mit mir!
Ich nahm noch einige große Schlucke. Dann stand mein Entschluss fest. Leicht schwankend erhob ich mich, packte die Leiche an den Füßen und schleppte sie ins Badezimmer. Danach musste ich kurz verschnaufen, aber dann holte ich die Handkreissäge aus dem Wandschrank im Flur. Trotz meines Widerwillens warf ich das Gerät an und tat, was nötig war.
In der Folgezeit lief alles bestens. Die Nachbarn waren voller Mitgefühl für die arme alleinstehende Frau, deren untreuer Gatte abgehauen war. Und niemand achtete darauf, wenn ich zum Einkaufen ging und dabei jeden Tag ein in Plastik geschlagenes Päckchen in der Tragetasche mitnahm, das ich auf meinem Weg durch den Stadtpark im günstigsten Moment von der hübschen japanischen Bogenbrücke aus in dem trüben Teichgraben entsorgte.
Zwar stellte sich die Versicherungsgesellschaft erst einmal quer, und ich musste mich jahrelang mit der bescheidenen Grundsicherung vom Amt und nicht angemeldeten Putzjobs über Wasser halten. Doch als ich meinen Mann endlich für tot erklären konnte, kassierte ich eine ordentliche Summe.
Natürlich bin ich in eine andere Stadt gezogen. Mein Geld ist klug angelegt und sichert mein Auskommen.
Mittlerweile habe ich beim Workout auch einen gutsituierten Herrn kennengelernt, der bereits um meine Hand angehalten hat. Wahrscheinlich werde ich ihm die Freude machen. Er schaut zwar gern einmal etwas zu tief ins Glas, aber dafür ist er gut versichert.
Und wenn sich nicht alles nach meinen Vorstellungen entwickeln sollte, gibt es ja Alternativen.