Von Daniela Seitz
Sie in Therapie: „Rückblickend war ich wie erstarrt. Immer wenn ich mich an andere wenden wollte, redete er es mir aus, indem er mir in Erinnerung rief, wie unmöglich mein eigenes Verhalten war. Oder er betonte seine Vorurteile gegenüber dem Jobcenter und machte aus den Menschen dort, Monster, die nur auf uns herumtrampeln wollen.
Psychologin: „Und warum haben Sie ihn ernst genommen?“
Sie sofort ohne Nachzudenken: „Er ist mein Ehemann und der Vater meiner Kinder. Die Familie ist doch das Wichtigste! Ich wollte meinen Kindern den Vater erhalten. Warum er auch in unserem Umfeld alles getan hat, um die Lüge über mich zu verbreiten „Es seien nicht seine Kinder und ich hätte ihn betrogen“ kann ich einfach nicht nachvollziehen.“
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Er erinnert sich: „Merke dir, mein Sohn: Du bist nur ein ganzer Mann, wenn du Söhne hast! Unsere Familie produziert nur Söhne. Nimm dir eine Frau, dann wirst du wie dein drei Brüder mit Söhnen beschenkt.“
Er: Und jetzt habe ich geheiratet und Kinder, aber das dritte Kind ist unterwegs und schon wieder ein Mädchen! Wenn wir nur Söhne produzieren, dann muss sie mich betrogen haben und das von Anfang an. Und der Beweis sind meine Brüder, die alle nur Söhne haben.
Er fragt den Scheidungsanwalt: „Kann ich die Ehe annullieren lassen?“
Scheidungsanwalt: „Ihr Ernst jetzt?“
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Der Jobcentermitarbeiter fragt ihn: „Warum konnten Sie den Termin für die Mietschuldenübernahme bei der Stadtverwaltung nicht wahrnehmen? Ich hatte der Kollegin von der Stadt alles zugeschickt. Sie hätten nur da sein und den Antrag unterschreiben müssen.“
Er: „Meine Kinder sind schuld. Ich konnte Sie nicht alleine lassen.“
Mitarbeiter: „Ihr Ernst jetzt? Ihre Frau passt auf die Kinder auf und selbst wenn, hätten Sie die Kinder zum Termin mitbringen können. Ich kann jetzt nicht mehr verhindern, dass Sie, Ihre Frau und die zwei Kinder obdachlos werden. Aber Sie hätten es mit einer Antragsstellung verhindern können und sie wollen die Schuld für den Wohnungsverlust jetzt ernsthaft auf eine 3-jährige und 6-jährige schieben?“
Er denkt sich: „Rede du nur, das sind nicht meine Kinder.“
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Das Jobcenter nimmt telefonisch Kontakt zur Frau auf, um zu klären, wo die Familie sich nun nach dem Wohnungsverlust aufhält.
Sie schreit den Mitarbeiter an: „Es ist alles Ihre Schuld. Seit Sie mit ihm geredet haben, ist alles schlimmer. Vorher hat er zwar alle Unterlagen im Zimmer eingeschlossen, mich aber immerhin noch informiert. Jetzt ist er mal wieder abgetaucht. Wohin und wie lange, weiß ich nicht. Wie konnten Sie nur so mit ihm reden?“
Jobcentermitarbeiter: „Sie kommen warum nicht an Ihre Unterlagen?“
Sie sich ungeduldig wiederholend: „Er schließt die Unterlagen in ein Zimmer ein und ich habe keinen Schlüssel dazu. Ich konnte also vor der Wohnungsräumung keine Unterlagen mitnehmen.“
Jobcentermitarbeiter: „Ihr Ernst jetzt?“
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Sie und er beim Frauenarzt, nachdem die Familie nach kurzer Obdachlosigkeit wieder eine Wohnung gefunden hat.
Frauenarzt: „Herzlichen Glückwunsch! Es wird ein Mädchen!“
Er braust auf: „Ich wusste, du betrügst mich. Ich verlange auf der Stelle einen DNA Test!“
Frauenarzt: „Ihr Ernst jetzt? Mäßigen Sie sich! Ihre Frau ist schwanger!“
Sie willigt in den DNA-Test ein, weil sie weiß, dass sie Ihren Mann nicht betrogen hat.
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Sie verlässt sich darauf, dass ihr Mann die Geburt des dritten Kindes beim Jobcenter meldet und wundert sich, warum die Familie mit so wenig Geld auskommen muss.
Sie fragt nach: „Wie kann das denn sein, dass es nicht mehr Geld ist? Darf ich die Bescheide mal lesen?“
Er verwehrt ihr den Zutritt zum Zimmer und wehrt ab: „Du weißt, wie die beim Jobcenter sind. Ich habe schon Widerspruch eingelegt. Wir müssen jetzt abwarten!“
Gleichzeitig macht er einen Brief auf und fängt an ihn zu lesen. Wutentbrannt zerreißt er ihn, bevor sie auch nur fragen kann, von wem der Brief ist. Er schließt sich in sein Arbeitszimmer ein und lässt sie mit den Schnipseln vor der Tür alleine zurück.
Sie sammelt die Schnipsel ein und setzt sie mühevoll wieder zusammen. Es ist der DNA-Beweis ihrer Treue. Alle drei Kinder sind von ihm und ihr.
Tränen laufen ihr über die Wangen. Sie weiß, dass sie ihn in dem Zimmer nicht erreicht, egal was sie vor der verschlossenen Tür versucht, um ihn herauszulocken. Er hat sich unerreichbar gemacht. Sie flüstert: „Dein Ernst jetzt?“
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Sie meldet sich telefonisch beim Jobcenter und erklärt: „Mein Mann ist jetzt seit fast einen Monat nicht mehr zu Hause gewesen. Was soll ich machen?“
Jobcentermitarbeiter: „Schon fast ein ganzer Monat? Haben Sie sich getrennt?“
Sie: „Das weiß ich nicht. Er kommt nicht nach Hause, ist einfach nirgendwo erreichbar und geht auch nicht ans Handy! Ich habe auch seine Freunde angerufen. Aber entweder wissen Sie nicht, wo er ist oder verhalten sich so merkwürdig, als wüssten sie was und verraten es mir aber nicht.“
Jobcentermitarbeiter: „Gut, ich werte das jetzt als Trennung und schicke die künftige Post an Sie! Falls er doch wiederkommt, melden Sie sich, dann kann ich das auch wieder rückgängig machen.“
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Sie bekommt das erste Mal die Post des Jobcenters auf ihren Namen und prüft, was alles berücksichtigt wurde. Eine ganz entscheidende Sache fehlt.
Also ruft sie wieder beim Jobcenter an: „Sie haben nur zwei Kinder berücksichtigt. Ich habe aber drei Kinder. Wie kann das passieren?“
Jobcentermitarbeiter: „Haben Sie das Kind gerade bekommen?“
Sie entrüstet: „Meine Jüngste ist schon zwei Jahre alt. Das hat mein Mann doch gemeldet!“
Jobcentermitarbeiter: „Ihr Ernst jetzt? Ich habe hier keine Geburtsurkunde vorliegen. Wann hat Ihr Mann die denn eingereicht?“
Sie ruhiger: „Das weiß ich nicht. Er schließt die Unterlagen im Zimmer ein. Und ich habe keinen Schlüssel zu dem Zimmer!“
Jobcentermitarbeiter: „Schicken Sie mir bitte die Geburtsurkunde. Ich zahle Ihnen die zwei Jahre nach, sobald ich die Geburtsurkunde habe.“
Sie ängstlich: „Auch die Geburtsurkunde ist in dem Zimmer. Was soll ich tun?“
Jobcentermitarbeiter: „Rufen Sie den Schlüsseldienst! Oder fordern Sie die Geburtsurkunde noch mal beim Einwohnermeldeamt an. Aber der Schlüsseldienst ist schneller.“
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Sie sitzt unschlüssig vor dem Telefon. Der Gedanke, das Zimmer nur aufzubrechen, lässt sie in Schweiß ausbrechen. Das Zimmer betreten? Herausfinden, was er noch alles vor ihr versteckt? Sie denkt an ihren Reisepass, den sie seit längerem nicht finden kann. Dass sie unkontrolliert zittert, merkt sie erst, als ihre Älteste ihre Hand ergreift und eindringlich fragt:
„Mami, bleibt Papa jetzt für immer weg?“
Sie muss ihre Kinder beschützen. Das Zittern hört auf, die Entscheidung ist getroffen.
Sie nimmt ihre Älteste in den Arm. Streicht über blaue Flecken, die ihr nie erklärt werden konnten und doch immer wieder auftauchten. Dann wählt sie die Nummer einer Freundin, die geschickt im Umgang mit Türen ist. Der Schlüsseldienst ist zu teuer, aber mit etwas Draht wird die Freundin die Türe aufbekommen.
V3 7542 Zeichen mit Anmerkung
Anmerkung:
-Opfer die nicht flüchten und nicht kämpfen können, befinden sich im Überlebensmodus der Erstarrung.
– Täter missbrauchen Opfer durch Manipulationsmechanismen und isolieren sie so vom Umfeld, so dass die Opfer sich z.B. wegen ihrem eigenen Verhalten nicht mehr trauen mit anderen ins offene Gespräch zu gehen. Bleibt die Manipulation aus, wird auch Handeln wieder möglich.
– durch eine Trennung vom Partner stellt sich der Alleinerziehende durch den Mehrbedarf Alleinerziehung beim Jobcenter geldlich besser, als wenn der Regelsatz für Partner ohne Mehrbedarf weiterläuft.