Von Helga Rougui

Im Asbach Uralt sei der Geist des Weines.

Wie sähe er aus?

Uralt natürlich, mit einem langen weißen Bart.

So einen, wie Gott ihn hat.

Ohne Geist wäre der Asbach nur eine braune Brühe.

Ohne weißen Bart wäre Gott nur ein alter schlechtrasierter Mann.

 

Ach Gott, dachte Lisa, nun bin ich uralt und habe weder von dir noch vom Asbach eine Ahnung.

Es reichte doch, wenn sich der Geist des Weines in einem voluminösen Burgunder versteckte. Ohne Bart natürlich.

 

Sie hatte Weinbrand und Kriege immer gehaßt.

Und sie hatte Glück gehabt. Während ihrs Lebens war ihr beides erspart geblieben.

 

*** *** ***

 

al-Kuhul kommt gegen Abend. Niemals vor fünf Uhr nachmittags.

Manchmal braucht er eine kleine Ermunterung.

Dann zeigt er sich vorab als Wermut oder als weinhaltiger Likör oder als Glas Sekt.

Und dann erscheint er selbst, der Geist des Weines.

Er kleidet sich rot, weiß, rosé, duftet nach Zimt, Himbeeren, dunkler Erde. 

Er ist ihr Tischherr beim Abendessen, und anschließend begleitet er sie durch die Abendstunden bis in die Nacht hinein.

Sie will nicht auf seine Anwesenheit verzichten, bleibt aber immer Herrin ihrer selbst.

 

So ist das seit fünfzig Jahren.

Mal mehr, mal weniger intensiv ist ihre Beziehung, je nachdem wie ihre Lebensumstände sie fordern.

al.Kuhul hat immer ein offenes Ohr – er lauscht ihrer Freude, ihrer Langeweile, ihrer Verzweiflung, ihrer Resignation.

Er antwortet nie.

 

Das macht ihr nichts aus.

Es paßt zum Leben.

Nutzlose Einsichten, keine Abhilfe, keine Antworten.

Auf welche Frage auch immer.