Von Christiane Labusga

 

Peach hat Freunde in „Hamburch“ (so sagt sie) und die haben ein Segelschiff und haben sie eingeladen, von Hamburch bis nach Brest mit ihnen zu schippern, Easy muss mit. mal raus aus der Stadt und rein ins Wasser, sagt Peach. Peachs Element.

Aber erst müssen sie bahnfahren, weil‘s billiger ist, mit dem Doppeldecker-Regionalzug.

„Up, up and away“, dann „The only way is up!“, singt Peach auf dem Weg zum oberen Abteil des Doppeldecker-Regionalzugs.

Oben angekommen, müssen sie feststellen, dass alles besetzt ist – zumindest so belegt, dass sie nicht mehr miteinander sprechen könnten, wenn sie sich auf die freien Plätze setzten.

Also bleiben sie an der Treppe stehen. Peach sagt:

„Das muss so sein, ein Zeichen.“

Easy hat keine Meinung. Er staunt nur, was Peach so alles an passender Musik kennt. Es ist nicht das erste Mal, und Peach schiebt immer alles auf den schlechten Musikgeschmack ihrer Mutter, dem sie in ihrer Kindheit ausgesetzt war.

Jetzt stehen sie also oben im Doppeldecker, genau an der Treppe, und Peach scannt mit ihrem aufmerksamen Blick die Reihen.

Aus den überall herunterklappten Fensterscheiben dringt frische Sommerluft herein, Heuduft, Kräuter, für Easy etwas ganz Neues.

Durch die offenen Scheiben kommt an der nächsten Station eine Biene.

„Schaumal, eine Biene. Wenn die nicht gleich wieder raus fliegt, muss sie heute Nacht sterben.“

„Häh?“

„Ja, wenn sie nicht zurück in ihrem Stock kommt, stirbt sie.“

Der Zug fährt weiter und beide schweigen. Im Abteil hört man das Brummen der todgeweihten Biene.

Dann schreit jemand: „Au, das verdammte Mistvieh hat mich gestochen! Hilfe, ich bin Allergiger!“

An der Treppe, wo sie stehen, ist es nicht weit zur Notbremse. Und Peach ist schneller da, als Easy denken kann. Und noch bevor der Zug steht, ist Peach beim Patienten.

Der bekommt keine Luft mehr.

Peach zückt ihr Schweizer Messer, schreit in den Hintergrund: „Hat jemand einen Kuli oder einen Strohhalm? Her damit!“

Irgendwo heraus, alter Coronarestbestand, friemelt sie ein Desinfektionsspray, schneidet die obere Hälfte ab und taucht die Klinge in das Desinfekt.

Sie reicht das Spray an Easy weiter:  „Mach genau das mit dem Kuli oder so, gleich!“

Es kommen tatsächlich ein Strohhalm aus Metall und auch ein Kuli, den man auseinander bauen kann.

„Den Kuli“, hört Easy in seinem Kopf, als hätte Peach es ihm gesagt.

Er desinfiziert ihn gründlich, reicht ihn weiter an Peach. Die hat inzwischen ihr Schweizermesser  am Hals des Patienten angelegt.

 

Und dann

 

setzt Peach

 

den Schnitt.

 

Der Mann atmet wieder, seine Begleiterin hebt ihre Hand und sendet ein Daumenhoch in das Abteil. Alle klatschen.

„Komm!“, sagt Peach, „wir müssen hier weg, sonst muss ich vielleicht Strafe zahlen!“

„Aber doch nicht wirklich?“

„Doch, die werden auf alle Fälle versuchen, die Kosten abzuschieben. Ein Menschenleben ist denen nichts wert als „Bezahlung“.“

Sie springen aus dem Zug, rennen über eine abgemähte Wiese, oh Mann, der Duft bringt Easy fast um, so etwas Wundervolles, Reines, Anregendes hat er in Berlin noch nie gerochen.

Sie kommen schließlich in ein Dorf. In eine Dorfkneipe. Mit Fernseher. Und beobachten da ihre eigene Flucht. Können sich zum Glück aus den Bildern nicht wiedererkennen.

„Wo hast du das gelernt?“

„Ach, weißt du, meine Mutter, die hat auch jede Arztserie geschaut, und ich saß eben dabei.“

„Es ist nicht immer Lupus“, zwinkert sie.