Von Miklos Muhi

Es war einmal ein Mann namens Robert, der in einem Restaurant im Industriegebiet als Koch arbeitete.

 

Er besaß nicht viel. Er hatte eine Gitarre, auf der er Lieder von Bob Marley spielte und in seinem Keller einen Growschrank, in dem er Hanf für den Eigenbedarf anbaute.

 

Robert war aber einsam. Er wollte eine Frau kennenlernen, mit der er gemeinsam alt werden konnte.

 

So wurde er auf Kim aufmerksam. Sie aß fast jeden Tag zu Mittag im Restaurant, wo er kochte. Sie war eine elegante, gut aussehende Frau, aus der IT-Firma nebenan.

 

Er entschied sich Kim etwas zu schenken. Zuerst ging er in ein Tonstudio und machte eine Aufnahme von seinem Repertoire. Diese Aufnahme und die besten Blüten seines letzten Growings verpackte er als Geschenk und, kurz bevor sie ins Restaurant eintrat, legte er das Paket unauffällig auf den Tisch, an dem sie immer saß.

 

Kim setzte sich und öffnete überrascht ihr Geschenk. Ihre Reaktion lag irgendwo zwischen Schrecken und Enttäuschung. Das Schrecken wurde vom Duft der Blüten, den man plötzlich im ganzen Restaurant vernehmen konnte, verursacht. Sie knallte den Deckel der Verpackung zu und warf ihr Geschenk zusammen mit den Resten ihres Mittagessens in den Müll.

 

Robert war auch enttäuscht und erschrocken. Er hatte an dem Tag Mülldienst, so konnte er das Geschenk selbst aus dem Müll bergen.

 

Es lief nicht wie geplant, aber das war kein Grund für Robert aufzugeben. Er nahm seinen ganzen Urlaub, ging zur IT-Firma, wo Kim arbeitete und bewarb sich als Reinigungskraft. Er wurde eingestellt.

 

In seinen Pausen holte Robert seine Gitarre aus dem Spind, spielte in der Eingangshalle das Lied Buffalo Soldier und sang dazu. Nach und nach formierte sich eine kleine Zuhörerschaft.

 

Eines Tages sprach ihn eine junge Frau an.

»Hallo, ich bin die Ilse, die Sekretärin von Kim.«

»Hallo. Ich bin der Robert.«

»Ich weiß, wer Du bist«, sagte Ilse. »Kim möchte eine Aufnahme von Dir, mit diesem Lied, Buffalo Soldier. Wie viel verlangst Du dafür?«

»Ich mache das sehr gerne«, sagte Robert, »Geld werde ich dafür aber nicht nehmen.«

»Was willst Du denn sonst?«, fragte Ilse verblüfft.

»Ich möchte, dass Kim mit mir zusammen zu Mittag isst.«

»Wäre das alles?«

»Ja.«

»Ich komme mit Kims Antwort auf Dich zurück«, sagte Ilse und ging.

 

Kim nahm die Einladung an. Sie gingen in ein elegantes Restaurant mit gepfefferten Preisen. Sie war zuerst unsicher, aber Roberts Lächeln und die Aufnahme, die er ihr überreichte, brach das Eis. Sie redeten und lachten viel.

 

Robert spielte ab dem nächsten Tag in seinen Pausen I shot the sheriff. Die Kunde des neuen Liedes machte schnell die Runde. So tauchte Ilse nach einigen Tagen wieder auf, denn Kim ließ nach dem Preis einer Aufnahme fragen.

»Wenn Kim meine Einladung zum Abendessen annimmt, bringe ich ihr eine Aufnahme umsonst.«

»Robert, Du bewegst Dich auf dünnem Eis«, warnte Ilse ihn. »Sie ist die Tochter des Chefs und der Chef hat Pläne mit ihr, Pläne in denen Du kaum einen Platz haben dürftest.«

»Das ist aber der Preis der Aufnahme.«

 

Kim war wieder einverstanden. Robert suchte ein noch eleganteres Restaurant aus, wo man sogar reservieren musste. Sie bekam die Aufnahme und war entzückt, aber nicht mehr so sicher, dass sie nur deswegen die Einladung angenommen hatte. Irgendwas sah sie in Roberts Augen, was sie mehr und mehr zum Schmelzen brachte.

 

Nach dem Essen begleitet Robert Kim nach Hause. Vor ihrem Haus angekommen verabschiedete er sich. Da umarmte und küsste Kim ihn leidenschaftlich.

 

Sie wohnte in der unmittelbaren Nachbarschaft ihrer Eltern, so konnte ihr Vater das Heimkommen seiner Tochter beobachten und sehen, wie seine Kleine sich von einem Putzmann einlullen und erobern ließ. Elend, Elend und nochmals Elend sah er in dem Kuss und als verantwortungsvoller Vater entschied er sich, seine Tochter zu beschützen.

 

Am nächsten Tag wurde Robert fristlos aber nicht eklatlos entlassen. Er räumte gerade seinen Spind aus, als Kim hinter ihm auftauchte.

»Wo willst Du hin?«, fragte sie verzweifelt.

»Zurück zu meinem Arbeitsplatz. Ich habe Urlaub genommen, um hier arbeiten zu können«, sagte Robert ruhig, »um in Deiner Nähe zu sein.«

»Wo arbeitest Du denn sonst?«, frage Kim überrascht.

»Ich bin Koch im Restaurant zwei Blocks weiter.«

»Ich komme mit Dir«, sagte Kim unsicher. »Wir werden zusammen bleiben.«

 

Robert antwortete nichts, bis er mit dem Ausräumen fertig war. Danach schaute er Kim in die Augen und sagte:

»Nein, wir werden nicht zusammen bleiben. Wir waren nie zusammen. Du wolltest nicht mich. Du wolltest einen Mann, der Gitarre für Dich spielt und Dich verwöhnt und tut, was Dir einfällt. Ein Spielzeug wolltest Du und das bin ich nicht. Lebe wohl und verwirkliche die Träume Deines Vaters, denn eigene hast Du wohl nicht.«

 

Als Robert das Gebäude verließ, sang er leise Jamming und Kim sang weinend mit.

 

Nachspiel

 

Im Besprechungsraum herrschte dicke Luft. Der Cheflektor und der Geschäftsführer des Verlages saßen zusammen mit David Sachse, dem berühmten Dichter und Schriftsteller um den großen Tisch. Zig Romane und Lyriksammlungen entstammten seiner elektronischen Feder. Fast alle seiner Bücher wurden auch finanziell erfolgreich.

 

Diesmal sollte er ein Band über die Liebe aus 20 Gedichte und Kurzgeschichten zusammenstellen. 19 dieser Texte waren schon bereit für den Druck. Nur ein einziger Text verhinderte noch das Erteilen des Druckauftrages. Das Buch sollte jedoch bald erscheinen und es gab schon viele Vorbestellungen.

 

»Was haben Sie bloß dabei gedacht, Herr Sachse?«, fragte Herr Gondel, der Cheflektor. »So etwas können wir doch nicht publizieren!«

»Ich sehe nicht, warum wir das nicht konnten«, meinte Sachse lächelnd und blinzelte mit seinen geröteten Augen. »Kiffen ist nicht strafbar, Bob-Marley-Lieder zu spielen auch nicht und eingebildete Gören zu erziehen erst recht nicht.«

»Growing aber schon. Aber selbst wenn es legal wäre«, meinte der Geschäftsführer, »wären wir vielen Lesern los.«

»Die Geschichte ist gut und das wissen Sie«, sagte Sachse.

»Sollte die Geschichte noch so gut sein …«, fiel der Cheflektor ein, aber der Geschäftsführer unterbrach ihn.

»Es reicht, Herr Gondel«, knurrte er, »und Sie, Herr Sachse, werden jetzt auch schweigen. Ist das klar?«

Beide nickten.

»Wir werden die Geschichte in dieser Form definitiv nicht publizieren, aber sie gar nicht zu publizieren, wäre schade«. Der Geschäftsführer schwieg für einige Zeit. »Herr Sachse, holen Sie Ihr Notizbuch heraus und schreiben Sie: Robert ist gleich armer Prinz, Chef der IT-Firma ist gleich Kaiser, Kim ist gleich Prinzessin, des Kaisers Tochter und Ilse ist gleich Hofdame. Was machen wir mit Koch und Putzmann?«

»Schweinehirte«, warf Sachse rein.

»Sehr gut. Hanf ist gleich Rose, die nur selten, sagen wir, ein mal in fünf Jahren blüht und die Gitarre …«

»… ist gleich Nachtigall!«, warf der Cheflektor ein.

»Das ist schon mal ein Anfang. Herr Sachse, Sie schreiben Ihre Geschichte jetzt um, ohne den Feueralarm wieder auszulösen, wenn ich bitten darf. Ich muss jetzt telefonieren. Meine Herren, raus hier, aber ein bisschen zackig!«

 

Auf dem Flur hörte man zuerst englische dann dänische Wortfetzen, dann ausgelassenes Lachen. Weitere Telefonate mit mächtigen PR-Agenturen weltweit folgten.

 

Kurz vor Mitternacht präsentierte ein sichtlich gequälte David Sachse eine neue Version seiner Geschichte. Bis dahin entwarf man einen geheimen und einen öffentlichen Autorenvertrag. So nahm die Geschichte des Kochs und der Liebe unter dem Titel Der Schweinehirt und unter den Namen von Hans-Christian Andersen ihren Platz in der Weltliteratur ein.

 

Version 2